Erdkern dreht sich seit 2008 rückwärts
Earth structure, division into layers, the earth's crust and core. 3d rendering
Wissenschaftler haben erstmals eindeutige Belege dafür gefunden, dass der innere Erdkern tatsächlich seine Drehrichtung gewechselt hat.
Eine internationale Studie unter Leitung der Peking University und der University of Southern California dokumentiert, dass sich der etwa mondgroße Eisenkern seit 2008 rückwärts dreht – allerdings erheblich langsamer als zuvor.
Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Forschung basiert auf der Analyse von 121 Erdbeben zwischen 1991 und 2023 in der Region der South Sandwich Islands. Durch die Untersuchung seismischer PKIKP-Wellen, die den inneren Kern durchqueren, konnten die Forscher präzise nachweisen, dass der Kern zwischen 2003 und 2008 vorwärts rotierte – eine sogenannte Superrotation – und seither rückwärts dreht.

Asymmetrische Bewegung überrascht Wissenschaftler
Besonders überraschend ist die Asymmetrie der Bewegung: Die Rückwärtsdrehung erfolgt zwei- bis dreimal langsamer als die vorherige Vorwärtsbewegung. Diese Beobachtung stellt bisherige Modelle in Frage, die von gleichmäßigen, sinusförmigen Schwingungen ausgingen.
„Als ich die Seismogramme aus mehreren Jahrzehnten analysierte, stach ein Datensatz merkwürdigerweise aus dem Rest heraus“, erklärt John Vidale von der USC. Die Wellenformen veränderten sich und kehrten später zu früheren Mustern zurück – ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Kern dieselben Positionen erneut durchläuft.
Mögliche Auswirkungen auf das tägliche Leben
Die Rotationsveränderung könnte mehrere Bereiche beeinflussen, auch wenn die Effekte subtil sind. Das Erdmagnetfeld, das als Schutzschild gegen kosmische Strahlung fungiert, könnte in seiner Struktur oder Stärke verändert werden. Dies hätte potentielle Folgen für Satellitensysteme, Navigationstechnik und sogar für Tierwanderungen, die sich am Magnetfeld orientieren.
Zudem können winzige Abweichungen in der Kernbewegung die Tageslänge um Millisekunden verändern. Obwohl diese Unterschiede minimal erscheinen, könnten sie langfristig Wetter- und Klimasysteme beeinflussen.
Wiederkehrender Zyklus vermutet
Die Forscher vermuten, dass solche Richtungswechsel regelmäßig auftreten – möglicherweise alle 60 bis 70 Jahre. Ein ähnliches Phänomen soll bereits in den 1970er Jahren stattgefunden haben. Falls sich diese Annahme bestätigt, wäre die aktuelle Umkehr kein einmaliges Ereignis, sondern Teil eines wiederkehrenden Zyklus.
Neue Erkenntnisse zur Kernstruktur
Parallel zu den Rotationsveränderungen haben Forscher weitere überraschende Entdeckungen gemacht. Eine im Februar 2025 in Nature Geoscience veröffentlichte Studie zeigt, dass der innere Kern möglicherweise auch seine Form verändert. Die Oberfläche des Kerns könnte um mehr als 100 Meter verformbar sein und strukturellen Veränderungen unterliegen.
Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven auf die Dynamik des Erdinneren. „Die Vorgänge tief im Erdinneren stehen in engem Zusammenhang mit unserem Leben an der Oberfläche“, betonen die Forschenden. Der Erdkern erweist sich als deutlich dynamischer und komplexer als bisher angenommen – ein wichtiger Schritt zum Verständnis der tiefsten Schichten unseres Planeten.
