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Über 70 Prozent der energieintensiven Unternehmen verlagern Investitionen ins Ausland

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Eine Umfrage unter 240 Führungskräften energieintensiver Wirtschaftszweige verdeutlicht, dass fast ein Drittel künftig auch Europa den Rücken kehren und auf anderen Kontinenten investieren will. Deutsche-Bank-Chef Sewing glaubt indes, dass der Prozess noch umkehrbar ist.

Deutschland läuft Gefahr, einen großen Teil der Industrieinvestitionen zu verlieren. Das geht aus einer Umfrage der Unternehmensberatung Simon Kucher hervor, über die das „Handelsblatt“ exklusiv berichtete. 240 hochrangige Führungskräfte aus den energieintensiven Branchen Basis-Chemie, Stahl, Glas und Zement in Europa und den USA hatten dabei Gelegenheit, sich zu äußern.

Fünf Probleme bedrohen die Wirtschaft hierzulande

31 Prozent der Unternehmensvertreter, die für Deutschland zuständig sind, gaben an, dass sie die Produktion aktiv auf andere Kontinente verlagern oder dort ausweiten. 42 Prozent setzen ihr Geld in anderen europäischen Ländern anstatt in Deutschland ein – oder verschieben ihre Investitionen hierzulande vorerst.

Wie das „Handelsblatt“ weiter berichtet, haben sich in Gesprächen mit Vertretern energieintensiver Branchen fünf Probleme herauskristallisiert. Da wären etwa die sinkenden Aussichten auf einen Umstieg auf Wasserstoff als Energieträger bei gleichzeitig steigenden Kosten wegen der CO₂-Abgabe.

Sowohl Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als auch sein Vorgänger Peter Altmaier (CDU) wollten die energieintensive Industrie durch neue Produktionsanlagen und Pipelines von Kohle und Erdgas auf Wasserstoff als primäre Energiequelle umstellen. Ob das gelingt, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn nicht nur die Umrüstung der Industrieanlagen ist teuer.

Auch die Kosten für Wasserstoff sind hoch und werden kurzfristig auch nicht günstiger. Ebendarum hat Arcelor-Mittal, der Hersteller von Stahl, im Juni beschlossen, den Bau von klimaneutralen Produktionsanlagen an seinen Standorten in Bremen und Eisenhüttenstadt einzustellen. Es wäre geplant gewesen, anstelle von kohlebetriebenen Hochöfen künftig gas- oder wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlagen (DRI) zu verwenden.

Arcelor-Mittal blickt nun über die Grenze zum deutschen Nachbarn Frankreich, weil dort die Energiekosten niedriger sind. „Die Reduktion mit Wasserstoff ist bisher keine wettbewerbsfähige Option, und die DRI-Produktion auf Erdgasbasis ist als Übergangslösung nicht konkurrenzfähig“, zitiert das „Handelsblatt“ einen Unternehmenssprecher.

Abkehr vom Wasserstoff und CO₂-Abgaben belasten Unternehmen

Skepsis herrsche in der Branche auch, weil die aktuelle Bundesregierung sagt, grüner Wasserstoff sei zu teuer. Statt preiswerterer Energie gibt es wegen der Emissionen für die Unternehmen einen weiteren Druck durch steigende Kosten. Sie müssen CO₂-Zertifikate erwerben, die ihnen den Ausstoß von Emissionen gestatten. Zwar gibt es derzeit noch Zuschüsse oder gar die kostenlose Zuteilung seitens der EU dafür, doch solle sich das ändern. Die Folge wären weiter steigende Ausgaben.

Evonik-Chef Christian Kullmann fordert daher: „Das CO₂-Gebührensystem muss weg, mindestens aber drastisch reformiert werden.“ Die Abgabe belastet die europäische Industrie im internationalen Konkurrenzkampf. Kullmann spricht in dem Zusammenhang auch von einem „wirtschaftlichen Irrsinn“.

Evonik gehört zu einer Industrieallianz von mehr als 80 Unternehmen, die in einem Schreiben an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Abschaffung der CO₂-Steuer fordern. Darin heißt es, dass der Weg „zu Nullemissionen im Jahr 2039“ für viele Unternehmen „eine praktisch nicht lösbare Herausforderung“ darstelle. Die  „Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Basis in Europa“ sei „gefährdet“.

Auch sinkt die Hoffnung der Industrie nach dem Regierungswechsel drastisch. Das ist das in der vergangenen Woche veröffentlichte Ergebnis einer Umfrage des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft. Auf die Frage „Glauben Sie, dass der Herbst der Reformen kommt und für spürbare Verbesserungen für die Unternehmen in Deutschland sorgen wird?“ antworteten 81 Prozent der 1.125 Befragten mit „Nein“.

ifo-Chef Fuest fordert Reformkonzept

Außerdem führen laut „Handelsblatt“ die neuen Zollregeln der USA zu einer Verschiebung der Warenströme. Die schwachen Konjunkturdaten für Deutschland sowie die Manifestierung der Wirtschaftskrise hierzulande vervollständigen die Liste der Probleme.

Trotz der Umfrageergebnisse zeigt sich der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing optimistisch. So der Trend der Unternehmen, Deutschland den Rücken zu kehren, noch aufzuhalten. Er glaube, dass die Bundesregierung durchaus wisse,  dass sie hinsichtlich struktureller Änderungen „noch etwas machen“ müsse. „Und wenn die jetzt kommen, werden wir auch sehen, dass einige der Investitionen, die sie dort zitieren, hier bleiben werden“, so Sewing, der dann gar Zuwächse für möglich hält.

„Dramatisch“ sieht hingegen Clemens Fuest, Chef des Instituts für Information und Forschung (ifo) die Entwicklung. „Deutschland befindet sich seit Jahren in einem wirtschaftlichen Niedergang“, sagte er. „Während die staatlichen Ausgaben immer weiter steigen, sinken die privaten Investitionen“, warnte Fuest. „Damit ist Deutschlands Wohlstand akut in Gefahr, denn weniger private Investitionen bedeuten mittelfristig weniger Wachstum, weniger Steuereinnahmen und damit auch weniger Geld für staatliche Leistungen.“

Der Ökonom fordert von der Bundesregierung ein umfassendes Reformkonzept. Dies solle innerhalb der nächsten sechs Monate vorliegen und weit über den Koalitionsvertrag hinausgehen. Neben Sozialreformen schlägt er Entlastungen für Firmen vor. Dazu gehöre weniger Bürokratie und der Wegfall von Dokumentationspflichten bei CO₂, Lieferketten, Mindestlohn.

Quelle: Epoch Times

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